Wohnen im Quartier Kronsrode-Süd | Hannover | 2023
Realisierungswettbewerb 1. Preis
Der Architekturwettbewerb strebt die Errichtung eines Wohnquartiers mit dem Ziel einer klimaangepassten, nachhaltigen Planung und Bauweise in lebendiger Nachbarschaft an. Die zukünftige Bebauung ist Teil des vorgegebenen Masterplanes Kronsberg Süd, der den Rahmen für die bauliche Struktur des neuen Stadtteils bildet. Am südlichen Kronsberg zwischen der Kronsberg Expo2000-Siedlung und dem Expo-Messegelände entsteht auf 15 ha ein neues Wohnbaugebiet – Kronsrode für rund 3.500 Wohneinheiten.
Städtebauliches Konzept
Der Gebäudekomplex orientiert sich in seiner Form an den definierten Grenzen des Bebauungsplans. Den Kubaturen der umliegenden Blockrandbebauungen des Masterplans folgend, gleicht sich auch dieser Baukörper mit einer Öffnung zur Stadt im Süden des Baufelds an die umliegende Bebauung an. Die Baukörpertrennung sorgt für Porosität, Auflockerung, offene Blickbeziehungen für eine zukunftsorientierte Stadt des Miteinanders, Belichtung durch Südlicht sowie für eine natürliche Belüftung und Akklimatisierung des Innenhofes und somit auch der Wohnungen. Gleichzeitig ermöglicht sie in der strikten Einhaltung der GRZ von 0,6 einen wirtschaftlicheren Grundriss mit einer Gebäudetiefe von 12,50 m im Vergleich zu einer Gebäudetiefe von 10,50 m bei einer geschlossenen Blockrandbebauung. Das Wohngebäude steht auf einem Sockel, der sich in das Höhengefälle des Grundstücks fließend einfügt und über alle vier Erschließungskerne einen barrierefreien Zutritt ermöglicht. An den Treppenhäusern situieren sich die Gemeinschaftsdachterrassen. Diese werden mit einer perforierten Klinkerwand zur Straße abgegrenzt, welche die Ansichtskante der Fassaden wahrt und gleichzeitig den Bewohner:innen in einem geschützten Bereich ein Fenster über die Stadt bietet.
Nutzungskonzept
Im Untergeschoss befindet sich eine Tiefgarage mit Elektroladestationen und Carsharing-Angebot, Abstellräume sowie leicht zugängliche Fahrradräume mit mehr als geforderten Fahrradabstellplätzen. Zudem sind gemeinschaftliche Nutzungen, wie eine Fahrradwerkstatt und ein Treffpunkt dort untergebracht, wo das Untergeschoss aus dem Gelände herausragt. Die Stellplätze können durch ein Mobilitätskonzept vollständig untergebracht werden. Im Erdgeschoss beginnen die Wohnnutzungen. Geförderte, freifinanzierte Wohnungen sowie Appartements für Senioren und Seniorinnen sind im Gebäudekomplex durchmischt angeordnet. Dadurch wird eine soziale Diversifizierung erzielt, von der alle profitieren können. Alle Treppenhäuser ermöglichen einen barrierefreien Zugang zu dem Innenhof. Die Gemeinschaftsbereiche sind somit für alle erreichbar und nutzbar. Insgesamt befinden sich 89 Wohneinheiten in dem Gebäude. Davon sind 31 % geförderter Wohnraum und 69 % freifinanzierte Wohnungen.
Fassade & Materialität
Zur Stadt zeigt sich das Gebäude, dem Masterplan folgend, in einem roten Vollklinkergewand und fügt sich so in das städtebauliche Leitmotiv ein. Die Fassade besitzt eine ruhige Gliederung, die sich über alle Gebäudeseiten erstreckt. Die Ablesbarkeit der Einzelhäuser wird durch unterschiedliche dezente und feingliedrige Ausformulierungen der Ziegelfassade erzeugt und gleichzeitig in seiner Gesamtheit erkennbar gehalten. Die Rasterung unterscheidet sich lediglich in der Fugenfarbe von der restlichen Ziegelfassade. Außerdem wird mit leichten Vor- und Rücksprüngen in der Tiefe der Fassade ein harmonisches Spiel generiert. Die Eckgebäude an der südlichen Gebäudeöffnung ziehen die Ziegelfassade baukörpertief in den Innenhof, in dem es zu einem angenehmen Wechsel der Materialität in Holz kommt. Die Holzfassade belebt und vitalisiert den Innenhof, gibt diesem einen differenzierten und intimeren Charakter der Gemeinschaft und agiert gleichzeitig als Sinnbild für den Holzbau, indem sie die Holzkonstruktion nach außen trägt. Sie nimmt den Gedanken der ruhigen Gliederung auf und übersetzt diesen in einem vorgestellten Holzgerüst, welches die Balkone trägt, sowie vertikale- und hängende Gartenstrukturen ermöglicht. Rankpflanzen erstrecken sich daran in die Vertikale und Bewohner:innen können diverse Konstruktionen wie Hängematten oder Sonnensegel damit verbinden. Das Gerüst ermöglicht durch das Blätterwerk der Bepflanzungen und möglichen Lamellen- oder Markisenvorrichtungen einen passiven Sonnenschutz im Sommer. Wo es die Baulinie zulässt, sind Vorgartenzonen, kombiniert mit Sitzmöglichkeiten und Vorplätzen, für mehr Grün und Aufenthaltsqualitäten im Stadtraum, sowie Privatsphäre der dahinterliegenden Wohnungen, eingeplant. Im Bereich des Erdgeschosses, ohne bepflanzte Vorzonen, wird die Privatsphäre durch Brüstungsfenster gesichert.
Das Gebäude wird in Hybridbauweise konzipiert, in welcher darauf geachtet wird, die Stärken der unterschiedlichen Baustoffe voll auszukosten und diese gezielt einzusetzen. Die Untergeschosse sowie die aussteifenden Treppenhauskerne werden in Stahlbeton hergestellt. Die Decken aus Schallschutz- und Brandschutzgründen als Holz-Hybriddecken und alle nichttragenden Bauteile aus Holz hergestellt.
Nachhaltigkeitskonzept & Freiraumplanung
Als nachhaltige Architektur verstehen wir eine ausgewogene Synergie aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen. Dabei spielt der Mensch, der Bewohner oder die Bewohnerin, für uns eine zentrale Rolle. Unser Entwurf soll dem Menschen die Möglichkeiten bieten, einen partizipativen, gesellschaftlich engagierten und zufriedenen Lebensstil führen zu können, mit einer gleichzeitig bestehenden Möglichkeit auf einen privaten Rückzugs-Wohlfühlort. Ein hoher Anteil an aneignungsoffenen und transformativen Flächen gibt den Bewohner:innen die Chance, sich auszuprobieren, ob auf den privaten Balkonen, den Dachterrassen oder den Hochbeeten im Innenhof Pflanzen anzubauen und sich selbst zu versorgen oder seinen Homeoffice-Arbeitsplatz ins Freie unter die Pergolen zu verlegen. Mit der beruhigenden psychologischen Wirkung des Holzes, einem gesunden Raumklima, einer Vielzahl an Vernetzungsmöglichkeiten (den Gemeinschaftsdachterrassen, dem Treffpunkt, der Fahrradwerkstatt, dem gemeinschaftlich aktiv orientierten Innenhof) soll den Bewohner:innen Harmonie, Ausgeglichenheit und Wohlbefinden zu eigen werden. Wodurch Kapazitäten der Menschen freigeschaltet werden, die das Quartier beleben, instandhalten, sich womöglich ehrenamtlich engagieren und auf der Makro-Ebene angeregt sind, einen bewussteren, energiesparenden und ökologischen Lebensstil zu führen. Das Gebäude ist mit seiner kubischen Form, keinen Vor- und Rücksprüngen oder Versätzen in der Fassade sehr kompakt und in seinem Raster sehr wirtschaftlich. Es wird eine niedrige Gebäudehüllzahl ATH/AE erreicht und auch damit ein geringer Energieverbrauch sichergestellt. Die Wohnungen sind trotz ihrer Durchmischung replizierbar und somit kostensparend umsetzbar. Das Gebäude verfügt über Photovoltaikanlagen in Südausrichtung, welche aufgeständert auf den extensiv begrünten Dächern, zur Selbstversorgung des Gebäudes beitragen. Die Begrünung unter den Modulen trägt durch eine passive Abkühlung zu einer Leistungssteigerung bei, sowie zu einem verbesserten Regenwassermanagement, da ein Großteil des Regenwassers aufgefangen werden kann. Dieses kann ebenfalls für die Bewirtschaftung der zahlreichen Hochbeete in separaten Wassertanks zwischengespeichert werden, wodurch der Gefahr vor Überschwemmungen, durch die hohe Verdichtung des Quartiers, entgegengewirkt werden kann. Im Innenhof und auf den Dächern werden unterschiedliche Grünflächenkonzepte angeboten. So gibt es Grünstreifen, wie der Richtung der Straße „Auf dem Bassel“, welche als Biotop und Insektenwiese verschiedenen Tieren und Pflanzen Zuflucht und Nahrung bieten. Konzeptionell sind an den geschlossenen Wänden aller Treppenhäuser schlanke Gerüststrukturen für hängende Gärten geplant, in deren Strukturen die Bewohner:innen beispielsweise Töpfe oder Pflanzkästen einhängen und bewirtschaften können. Durch den starken Fokus auf eine diversifizierte und intensive Bepflanzung aller vorhandenen Flächen, sowie der Bereitstellung der Südöffnung im Gebäude, soll ein angenehmes durchlüftetes Klima entstehen, welches im Sommer den Gebäudekomplex kühlt und Schatten spendet, sowie für eine hohe CO2-Absorption und Sauerstoffversorgung sorgt.
Gemeinschaft
Für die Bewohner:innen wird in dem südlichen Gebäudeteil ein Treffpunkt geschaffen. Die Sozialstation beinhaltet eine Küche mit großzügigem Essbereich, ein separates Beratungszimmer sowie einen gemütlichen Aufenthaltsbereich. Bei gutem Wetter kann man sich auch im begrünten Innenhof treffen. Auf der Spielinsel können sich die Kinder austoben, während die Holzpergola zum Entspannen einlädt. Die zahlreichen Hochbeete dürfen von den Bewohner:innen bepflanzt und bewirtschaftet werden. Durch die Bereitstellung wird die Möglichkeit eröffnet, natürlich in Kontakt zu treten und eigenes Gemüse oder Kräuter anzubauen. Dadurch kann ein bewussteres Konsumverhalten angestoßen werden, Energie und weite Transportwege etwas eingespart werden und das Gärtnern als Stressausgleich verstanden werden. Gerade auch für Kinder kann dies eine wertvolle Erfahrung sein. Zwei weitere grüne Oasen befinden sich auf dem Dach des Gebäudes. An je zwei Treppenhäusern liegt jeweils eine Gemeinschaftsdachterrasse. Unter der Pergola lässt es sich auch bei Sonnenschein aushalten. Vorstellbar sind gemeinsame Grill- und Spieleabende. So bleibt die Hausgemeinschaft im Austausch und alle können sich beteiligen.
Text & Images: © pbp architekten